Eine Satire auf die Exzesse der Überwachungsgesellschaft

„Blind Faith“ von Ben Elton

Im Jahre 2007, einem Jahr, das historisch gesehen mit der unaufhaltsamen Expansion digitaler Überwachungstechnologien und sozialer Netzwerke in Verbindung steht, veröffentlichte Ben Elton seinen dystopischen Roman „Blind Faith“, eine beißende Satire auf die Privatsphäre zerfetzende Technokratie. In einer Welt, wo Teilen gleichbedeutend mit Fürsorge ist und Geheimnisse als soziale Sünde gelten, führt Elton uns durch eine Gesellschaft, die in ihrer digitalen Exhibitionismussucht und dem Verlust jeglicher Privatsphäre der unseren erschreckend ähnelt – und sie gleichzeitig ad absurdum führt.

Der Exhibitionismus als neue Religion

In „Blind Faith“, wo das private Leben öffentliches Gut ist, sind die Straßen von CCTV-Kameras gesäumt und die Menschen posten unablässig jedes noch so intime Detail ihres Lebens in den sozialen Netzwerken. Trajan, der Protagonist, ist gefangen in dieser hypervernetzten Welt, einer Dystopie, in der Anonymität zur Häresie geworden ist. Eltons Vision einer Gesellschaft, die das Teilen als ultimatives Gebot erhebt, wirkt wie eine groteske Steigerung der heutigen „Share everything“-Kultur, illustriert durch Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok.

Die Ironie der Hyperkonnektivität

Elton nutzt die Ironie als schärfste Waffe in seinem literarischen Arsenal, um die Absurdität einer durch und durch vernetzten Gesellschaft zu unterstreichen. In „Blind Faith“ wird der Akt des Teilens so übertrieben dargestellt, dass er das Gegenteil von dem erreicht, was er soll: Statt echte Nähe zu fördern, entfremdet er die Menschen voneinander. Die Figuren in Eltons Roman, ständig online, sind paradoxerweise isolierter denn je – ein Szenario, das in unserer realen Welt des „Always on“-Zustands nicht unvertraut erscheint.

Wissenschaft und Religion im Clinch

Elton wirft auch einen kritischen Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Religion. In einer Gesellschaft, die durch blinden Glauben an das Teilen und eine fast religiöse Verehrung der Technologie geprägt ist, wird wissenschaftliche Skepsis zum Akt der Rebellion. Trajan, der skeptische Held, hinterfragt die Grundlagen der Gesellschaft, in der er lebt – ein Motiv, das in der Popkultur oft aufgegriffen wird, sei es in Filmen wie „The Matrix“ oder Serien wie „Black Mirror“.

Datenschutz? Haha!

In „Blind Faith“ erscheint der Datenschutz als antikes Relikt, fast schon als mythologisches Konzept, das in der Ära der totalen Transparenz keinen Platz mehr hat. Dies spiegelt eine reale gesellschaftliche Debatte wider, in der die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem zunehmend verwischen. Eltons dystopische Welt dient als Zerrspiegel, der die potenziellen Gefahren einer unreflektierten Technologiegläubigkeit und der Aufgabe jeglicher Privatsphäre aufzeigt.

Ein Spiegel unserer Zeit?

Was Ben Elton uns mit „Blind Faith“ vor Augen führt, ist nicht nur eine dystopische Vision, sondern auch eine kritische Reflexion unserer eigenen Welt. Die durch den Roman provozierte Frage lautet: Wie viel von unserem eigenen Leben sind wir bereit, für den vermeintlichen Gewinn an Sicherheit und sozialer Anerkennung aufzugeben? „Blind Faith“ ist damit nicht nur eine Warnung, sondern auch eine Aufforderung, die Wechselwirkungen zwischen Technologie, Gesellschaft und individueller Freiheit neu zu denken.

Mit einem Augenzwinkern und der typisch britischen Ironie entwirft Elton ein Bild der Zukunft, das uns zum Lachen – und zum Nachdenken – bringt. In einer Zeit, in der unsere Smartphones zu Erweiterungen unserer selbst geworden sind, erscheint „Blind Faith“ nicht nur als dystopische Fiktion, sondern auch als unheimlich präzise Diagnose der Gegenwart.